Ein Traum der ganz klein beginnt ...

Von Siegfried-Thomas Wisch

Sie sind wieder unterwegs, die Geistervertreiber. Laut und gewaltig donnert und böllert es in unseren Ortschaften. Es sollen der Tradition nach die bösen Geister des vergangenen Jahres vertrieben werden. Das wäre wirklich gut, wenn das gelingt. Denn so viele Ungeister fühlen sich unter uns, in unseren Familien, Kommunen, in unserer Gesellschaft und Welt wohl. Sie heißen Missgunst, Streit, Intoleranz bis hin zu Gewalt, Krieg und Zerstörung.

Es wäre wirklich gut, wenn die Rauchschwaden der Knaller sich auflösen und der gute Geist der Weihnacht Raum behält. Noch stehen sie, die Weihnachtsbäume und brennen die Lichter der Hoffnung in unseren Wohnungen und auf öffentlichen Plätzen. Sie zeugen von dem Traum, dass Frieden auf Erden wird. Ein Traum der ja ganz klein beginnt, in einer Krippe, in einem Stall. Dieses Ereignis läutete wahrlich eine Zeitenwende ein. Am Anfang steht ein: Fürchte dich nicht! Wir müssen also nicht mit den bösen Geistern leben. Wir haben etwas in der Hand, an einer Welt zu bauen, in der ein guter Geist weht, klar und frisch wie ein Neujahrsmorgen mit einem offenen Horizont.

Wir haben die Kraft für eine Welt einzustehen, in der Menschen verschiedener Nationen, Religionen und Prägungen gemeinsam unterwegs sind. Sicherlich nicht konfliktfrei, aber ohne einander das Lebensrecht abzusprechen. In dem Wissen, dass Toleranz ihre Grenze findet an Intoleranz, Gewalt und Bösartigkeit. Fähig zum Gespräch miteinander – ohne den Anspruch, den anderen beherrschen zu wollen oder unbedingt Recht zu bekommen. Kein Mensch soll mehr Angst wegen seiner Herkunft oder Religion haben.

Wir haben den Mut, uns für eine Welt einzusetzen, in der wir einander zuhören und verstehen lernen. Es beginnt von Mensch zu Mensch. Ich verstehe meine Nachbarin, meinen Nachbarn. Ich habe Verständnis, warum Menschen sich viele, viele Kilometer auf den Weg machen, ihre Heimat verlassen und Schutz in unserem Land suchen.

Und wir haben die Hoffnung, dass verantwortliche Menschen verstärkt nach Wegen suchen, dass keine Raketen mehr Leben zerstören, dass den zerstörerischen Kräften Einhalt geboten wird.

Es klingt alles wie ein Traum, unwirklich und realitätsfremd. Und allein geträumt, bleibt es nur eine Phantasie. Doch wenn viele sich in diesen Traum einschwingen, hat er die Chance, tatsächlich zur gemeinsamen Wirklichkeit zu werden. Viele gute Geister können dann die Bösen vertreiben.    

Es wäre doch wahrlich eine Zeitwende, sich im neuen Jahr 2024 mit diesem Traum zu beschäftigen.

 

Superintendent Siegfried-Thomas Wisch
Evangelischer Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg

Veröffentlicht am: