Maria, die nachdenkliche Gerechtigkeitsliebende

Von Martin Rohde

An diesem 24. Dezember fallen der vierte Advent und der Heilige Abend zusammen. Jauchzende Vorfreude und sogleich schon die Verkündigung der großen Freude selbst.

Maria, die Mutter Jesu, wird in der Geburtsgeschichte erst ganz an Ende mit einem eigenen Satz bedacht: »Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen« (Lukas 2,19). Hier erscheint sie eher als stille Beobachterin, die doch mit ihrem Verstand und eben mit ihrem Herzen ganz dabei ist.

Ihren großen Auftritt hat Maria im Evangelium des vierten Adventssonntags. Dort wird sie ins Rampenlicht gerückt – von dem Engel, der ihr erscheint und ihr ihre Schwangerschaft und die Geburt Jesu voraussagt. Maria nimmt diese Ankündigung an und fügt sich – vertrauensvoll und scheinbar unterwürfig: »Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast« (Lukas 1,38).

Tatsächlich aber verbindet Maria große und umfassende Hoffnungen mit der Ankündigung, die sie durch den Engel erhalten hat. Sie, die unscheinbare, »sehr junge« Frau von wohl 13 oder 14 Jahren wurde auserwählt, den Messias zur Welt zu bringen.

Besonders nach jüdischer Tradition ist jede Geburt ein Wunder, bei dem das Handeln Gottes, der Leben schenkt, erfahrbar wird. Die Geburt Jesu ist nun ein ganz besonderes Wunder, das die ganze Welt erfassen und verändern wird. Erniedrigte wie Maria sollen erhöht werden, Getretene aufgerichtet, Entrechteten soll Gerechtigkeit widerfahren. Gott hat »die Niedrigkeit seiner Magd angesehen« und beendet und hat sie sich selbst als mächtig erfahren lassen. Die »im Finstern sitzen«, werden befähigt, aus dem Finstern herauszutreten.

Diese Hoffnung kommt besonders deutlich und eindrücklich in Marias bekannt gewordenem Lobgesang, dem so genannten »Magnificat« (Lukas 1,46–55) zur Sprache. Hier jubelt Maria über die »großen Dinge«, die Gott an ihr getan hat. Über die großen Dinge, mit denen er die Verhältnisse der Welt umkrempelt: Macht übt er durch seinen Arm, Hochfahrende zerstreut er in den Gedanken ihrer Herzen, Mächtige stürzt er von den Thronen und Niedrige erhöht er, Hungrige erfüllt er mit Gütern und Reiche schickt er leer weg (Verse 51–53).

Vor dem Hintergrund dieser starken Hoffnungen und Sehnsüchte erlebt und verarbeitet Maria die Ereignisse der »Heiligen Nacht«, wenn es heißt: »Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen« (Lukas 2,19). Sie erwägt, sie überlegt, sie hält die Worte in Bewegung – und das in ihrem Herzen: Innerlich muss da viel bei ihr los gewesen sein!

An Weihnachten zeigen viele Menschen, dass sie ein Herz haben: in ihrer gespannten Erwartung, in ihrem Bemühen, das Fest irgendwie besonders werden zu lassen, in ihrer Sehnsucht nach weltweitem Frieden oder in ihrem Wunsch nach einem unbeschwerten Zusammensein in der Familie. Die Herzen, die Herz-lichkeit von Menschen wahrzunehmen, macht zuversichtlich und mächtig.

Ich möchte die Botschaft von Weihnachten in meinem Herzen bewegen – und mit ihr meine Sehnsucht nach dem kleinen Frieden und der großen Umwälzung der Verhältnisse.

Wir brauchen sie. Und sie ist uns versprochen.

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Martin Rohde ist (noch bis Januar) Pfarrer in der Domkirchengemeinde Brandenburg an der Havel und in der Ev. Kirchengemeinde Golzow-Planebruch. Somit predigt er in einem der größten Kirchgebäude unseres Kirchenkreises, dem Brandenburger Dom, wie auch im wohl kleinsten, dem Bethaus von Freienthal, wo er auch am Heiligen Abend die Christvesper feiern wird.

Ab Februar wird er in der imposanten Marienkirche in Kyritz wie auch in den Dorfkirchen von Granzow, Gumtow oder Gantikow, im Pfarrsprengel Kyritz-Land, zu sehen und zu hören sein.

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