Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit. Die politische Lag ist extrem aufgeheizt. Die rechtsradikale Partei AfD legt ohne Skrupel offen, was nach ihrer Vorstellung die Alternative für unser Gemeinwesen ist: Hass gegen alles, was nicht der von dieser Partei festgelegten Norm entspricht. Ablehnung jeglicher Vielfalt in unsere Gesellschaft und im Zusammenleben der einzelnen Menschen. Dabei wird sogar die Deportation von Menschen geplant, die dieser Partei nicht passen, z. B. Deutsche mit ausländischen Wurzeln.
In den letzten 20 Jahren erkenne ich viele Parallelen zu den Entwicklungen in der Weimarer Republik. Dazu steht mir das berühmte Zitat von Pfarrer Martin Niemöller (1892 – 1984) vor Augen, der 1933 als evangelischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten den Pfarrer-Notbund gründete. Es lautet wie folgt:
„Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.“
Die AfD bekämpft in unheiliger Allianz mit weiteren Rechtsextremen offen die Demokratie und den Rechtsstaat. Sie folgen dem alten Motiv: Schuld sind immer die anderen, die anders aussehen, die anders denken, die anders glauben, die anders leben. Dies gefährdet unser friedliches Zusammenleben und erfordert unseren lauten Widerstand in der Gemeinde, in der Nachbarschaft, im Verein, auf der Arbeit und in der Familie.
Als Christinnen und Christen erkennen wir im anderen Menschen Gottes Ebenbild – unabhängig vom jeweiligen Glauben sind wir alle Gottes Kinder. Das ist unsere Motivation, die Würde jedes Menschen mit aller Kraft zu schützen, egal welcher Herkunft, welcher Nationalität, welcher Religion, welcher geschlechtlichen Identität. Auch unser Grundgesetz stellt in Artikel 1 Absatz 1 als höchsten Wert der Verfassung unseres Rechtsstaats klar: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Wir – jeder einzelne – müssen aufstehen und laut unsere Meinung sagen. Wir müssen laut werden gegen alle rechtsextremen Parteien und Einzelpersonen. Gleichzeitig müssen den Dialog suchen - wo es möglich ist - um AfD-Wählern klar zu machen, dass es sich lohnt eine demokratische, vielfältige und tolerante Gesellschaft zu bewahren. Ohne diesen Dialog laufen wir alle Gefahr, dass all dies von der AfD vernichtet wird.
Im Jahr 1990 veröffentlichte der Liedermacher Konstantin Wecker das Lied „Sage Nein!“. Heute, 34 Jahre später, ist dieser Text aktueller denn je. Nachfolgendend der Text der ersten Strophe:
„Wenn sie jetzt ganz unverhohlen
Wieder Nazi-Lieder johlen
Über Juden Witze machen
Über Menschenrechte lachen
Wenn sie dann in lauten Tönen
Saufend ihrer Dummheit frönen
Denn am Deutschen hinterm Tresen
Muss nun mal die Welt genesen
Dann steh auf und misch dich ein:
Sage nein!“
Dieser Aufforderung sollten wir alle folgen. Wir müssen uns einmischen, laut werden und Nein sagen. In Vorbereitung auf die Wahlen zum Europäischen Parlament und in den Kommunen im Juni sowie bei den Landtagswahlen im September sind wir gefordert, unsere christlichen Werte in die gesellschaftliche Debatte einzubringen. Am besten geschieht das vor Ort in unseren Kirchengemeinden und Gemeinden. Es ist erforderlich, dass wir aktiv den Dialog mit unseren Menschen vor Ort suchen. Dazu ein paar Zahlen.
Bei der letzten Bundestagswahl haben in meiner Heimatgemeinde von 5.589 gültigen Stimmen für die DirektkandidatInnen fast 1000 (genau 983) WählerInnen für den Kandidaten der AfD gestimmt (siehe Grafik). Die Wahlbeteiligung lag bei 79,1%. Es haben somit 1499 Wahlberechtigte nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Bei den Zweitstimmen erhielt die AfD 17,3%.
Jeder einzelne von uns kann seine Nachbarin oder seinen Vereinskollegen im Gespräch motivieren, zur Wahl zu gehen und für die Demokratie und gegen rechtsextreme Kräfte – wie der AfD – einzutreten. Das wäre dann schon ein guter Anfang mit dem praktischen „Sag Nein!“
Übrigens: Die Kreissynode des Kirchenkreiseses EKMB hat am 16. März 2024 auf ihrer Frühjahrstagung einstimmig beschlossen, dass der EKMB den Aufruf „Brandenburg zeigt Haltung! Für Demokratie & Zusammenhalt!“ unter-zeichnet www.brandenburg-zeigt-haltung.de/. Das ist ein guter Anfang, aber jeder Einzelne sollte deutlich im Alltag für Toleranz und Demokratie eintreten.
Das Gebot der Nächstenliebe macht es unabdingbar, dass wir zusammen streiten für Demokratie und Toleranz. Lassen Sie uns das gemeinsam tun.
Stefan Köhler-Apel
Präses des EKMB und Mitglied der Lukas-Kirchengemeinde Jeserig