Die Antwort auf die Frage, wann ein Leben beginnt, scheint individuell verschieden. Für viele ist der Beginn des Lebens der Moment, in dem ein Baby im Kreißsaal schreit, der Augenblick, in dem ein Kind das Licht der Welt erblickt. Mütter empfinden das ganz anders. Oft vor der Gewissheit, schwanger zu sein, sagt das „Bauchgefühl“, dass etwas anders ist. Mit der medizinischen Bestätigung beginnt eine neue Wahrnehmung. „Ich bin nicht mehr allein“. Die moderne Technik macht Fotos vom Nachwuchs möglich, bevor er geboren wird. Sobald das Ultraschallgerät mit einem Blinken den Herzschlag zeigt, steht fest: Ein neues Leben hat begonnen. Im Kopf entstehen Namen, Kinderzimmer, Babysachen werden ausgesucht, … .Aber für einige Eltern zerbricht im nächsten Atemzug diese neue Welt.
Nicht jede Schwangerschaft endet mit der Freude der Geburt eines gesunden Kindes. Die moderne Medizin ermöglicht es sehr früh und genau den Entwicklungs- und Gesundheitszustand des entstehenden Menschleins zu begleiten. Werden schwere Störungen sichtbar dürfen Eltern in befristeten Zeiträumen entscheiden, ob sie die Schwangerschaft abbrechen wollen.
Eltern, deren Herzenswunsch nach einem Kind sich auf natürlichem Weg nicht erfüllt können heute durch die Behandlung in einem Kinderwunschzentrum neue Hoffnung schöpfen. Doch nur zu 30% kommt es zu einer Schwangerschaft und auch diese führen nur zu einem Teil zu einer glücklichen Geburt eines Kindes. So, wie auch ohne jeglichen medizinischen Eingriff nicht jedes Kind, das im Mutterleib entsteht das Licht der Welt erblickt.
Weil wir heute so ein großes Vertrauen in die Medizin haben, nehmen wir das nicht mehr so schicksalshaft ergeben an, wie früher. Auch sehen wir mit einem sensibel geschärften Blick auf alles, was Menschen Leid verursacht. Ethisches Fragen, Formulieren und Handeln gewinnt Beachtung. So erzählt Felicitas haupt, Seelsorgerin im Städtischen Klinikum Brandenburg, die sich um die Sternenkinderbeisetzungen kümmert und betroffenen Eltern Gespräch und Hilfe anbietet.
So begegnete ihr Jenny Paepke. Mindestens zweimal wöchentlich geht die junge Frau auf den Neustädtischen Friedhof, um Kerzen für ihre Töchter anzuzünden und frische Blumen zu bringen. „Es gibt mir Kraft, sie an diesem Ort besuchen zu können und zu wissen, dass sie zusammen sind.“, sagt sie. Im Herbst 2016 verlor sie plötzlich ihre Babys in der Mitte der Schwangerschaft.
Wen der Weg in diesen Bereich des Neustädtischen Friedhofs führt, der trifft auf eine Wiese, die unscheinbar überquert wird, um die dahinterliegenden Gräber zu erreichen. „Hier ruhen Kinder, die nicht in dieses Leben geboren wurden“ steht auf einem grauen Stein in ihrer Mitte.
Früher wurden sogenannte Tot- und Fehlgeburten regelrecht entsorgt und nicht anders als Amputationen und OP-Reste behandelt. Nach einem Aufschrei von trauernden Eltern und Presse änderte sich das zum Ende der 1990 Jahre. Das Städtische Klinikum Brandenburg ermöglicht seit 2002 Sammelbestattungen für „Sternenkinder“, die für Eltern kostenfrei sind. Träger hiervon sind neben dem Klinikum der Friedhof der St. Katharinen- Kirchengemeinde, Fliedners, die Björn Schulz Stiftung sowie das Bestattungshaus Dieckmann, das auch die 30 Zentimeter kleinen Särge kostenfrei stellt. So können hier nichtbestattungspflichtige Sternenkinder, unabhängig von Alter und Gewicht, ihre gemeinsame Ruhestädte finden.
So hat sich in den letzten 15 Jahren überall in Deutschland eine Bestattungskultur für Sternenkinder entwickelt. In Zeiten davor mussten Eltern zu den Verlusten ihrer Kinder die Tatsache ertragen, keinen Ort der Ruhe und zum Trauern zu haben. Artikel 1, Abs. 1 im Grundgesetz „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ schließt seither auch Sternenkinder ein. Seit 2013 kann auch im Standesamt die „Existenz des Kindes“ mit Namen eingetragen werden. Denn sie haben ja existiert, wenn auch nur ein paar Wochen. Doch im Herzen bleiben sie immer.
Jenny Paepke wünscht sich für ihre Töchter, dass ihre Ruhestätte keine anonyme Wiese bleibt, die wie jede andere von Füßen oder Fahrrädern überquert wird. Nicht der Stein ist der Ort, wo die Kinder ruhen, sondern die Wiese selbst. In den letzten Jahren wurden hier Sternenkinder bestattet, deren Ruhestätte nicht erkennbar ist.
“ Mit jedem Besuch der Grabstätte ihrer Töchter wuchs in Jenny der Wunsch, Zeichen für ein existentes Leben zu setzen und den Ort liebevoll gestalten zu dürfen.
Und schon hat sich etwas verändert. Eine Gruppe Sternenkindermuttis trifft sich zu Gesprächen und machen sich Gedanken. In Absprache mit ihnen hat Seelsorgerin Felicitas Haupt Schieferherzen mit Jahreszahl anfertigen lassen, die künftig den Platz kennzeichnen, an dem die Sternenkinder beigesetzt werden. Im zweiten Schritt soll eine Hecke gepflanzt werden, die die Wiese umschließt. Danach soll auch die zentrale Mitte zu einem schönen Blickfang gestaltet werde.
Der Leiter des Friedhofs, Martin Mitrenga, steht der Initiative offen, verständnisvoll gegenüber. Doch die Ordnung des Friedhofs muss eingehalten werden und jede „private“ Gestaltung zieht Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit auf längere Sicht nach sich. Das muss von allen bedacht werden.
Jenny wünscht sich eine Gemeinschaft, die das alles mit dem Herzen, mit tatkräftiger Hilfe oder einer Spende mit unterstützt. Felicitas Haupt steht dabei hinter ihr. Eltern oder Interessierte, sind eingeladen Engagement bei der Initiative für Sternenkinder zu zeigen, einen liebevollen Platz herzurichten, Helfer und Sponsoren sind aufgerufen, Kontakt aufzunehmen und an die ersten Schritte von Jenny Paepke und Seelsorgerin Felicitas Haupt anzuknüpfen. „Wir wären dankbar, von Privatpersonen, gärtnerisch Interessierten, bei der Grabpflege unterstützt zu werden. Auch Menschen, die sich mit Ideen zur Gestaltung beteiligen wollen und solche, die dann mit zupacken können werden wir brauchen. Für den zweiten Schritt, die Wiese mit einer Hecke zu umfrieden sind wir auf Geldspenden angewiesen.“ Gesucht werden „Menschen mit Herz für Sternenkinder“, so hat es Jenny Paepke in ihrem Unterstützungsbrief geschrieben.
Kontakt: Jennifer Paepke: 0173 850 15 54 ⋅ Pfarrerin Felicitas Haupt: 03381 41 28 00 ⋅ E-Mail: haupt.felicitas@ekmb.de